Noch immer wird der Zirkus in Deutschland offiziell nicht als Kulturform gewertet, obwohl schon 2005 das EU-Parlament seine Mitgliedsstaaten dazu aufforderte, den Zirkus als Teil der Kultur Europas anzuerkennen. Doch schrittweise wird sich auch in der Bundesrepublik diesem Ziel genähert (das in der DDR eine Selbstverständlichkeit war). Mit dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ 2020 zur Überwindung der Corona-Folgen wurde erstmalig auch der gesamte Zirkusbereich in eine Förderung einbezogen, nachdem es vorher bereits einzelne Unterstützungen für Projekte des Zeitgenössischen Zirkus und Projekte der Zirkuspädagogik gegeben hatte. Die einzelnen Zirkusverbände schlossen sich zu einem Netzwerk zusammen, zu dem der Verband deutscher Circusunternehmen (VDCU), der Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus (BUZZ), der Berufsverband der Tierlehrer, die Gesellschaft der Circusfreunde (GCD), die European Circus Association (ECA), der Verband Deutscher Varieté-Theater (VDVT) und die beiden Verbände der Zirkuspädagogik Bundesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik (BAG) und Zirkus macht stark gehören.
Dieses Netzwerk stellte 2022 einen Antrag auf Aufnahme des Zirkus als eigenständige Form der Darstellenden Kunst in das UNESCO-Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen nahm den Zirkus in sein Landesinventar des Immateriellen Kulturerbes auf und nominierte ihn für das bundesweite Verzeichnis. Mit Stolz und Freunde konnte das Netzwerk Zirkus dann erfahren, dass die Mühen der Antragstellung gelohnt haben und der Zirkus nun in das UNESCO-Verzeichnis aufgenommen wurde. Am 30. Juni fand in Potsdam die feierliche Verleihung der Urkunde statt, die von fünf Vertreterinnen und Vertretern des Netzwerks entgegengenommen wurde.
Auch wenn mit dieser Anerkennung als Immaterielles Kulturerbe keine staatliche Förderung des Zirkus verbunden ist und an seiner Gleichstellung mit anderen Kulturformen noch gearbeitet werden muss, ist diese Anerkennung ein ganz wichtiger Schritt, um dem Zirkus seine Zukunft zu sichern. Auch für die Zirkuspädagogik, die mit ihren beiden Verbänden im Netzwerk vertreten ist, wird damit deutlich gemacht, dass Zirkus eine Kunstform ist, mit deren Beschäftigung Kinder und Jugendliche in Risikolagen in ihrer Selbstverwirklichung und ihrem Selbstwertgefühl unterstützt werden.
Gisela Winkler